Rette sich wer kann

Rabbit, lost Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Happy easter Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Rollergirl Acryl/Kohle auf Malgrund
150 x 120 cm 2015

The Treasure Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Hello and goodby Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Enjoy life Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Kind of Alien Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Mary and innocent Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015 (sold)

Third church Acryl auf Malgrund 116 x 81 cm 2017

Cheers! Acryl auf Malgrund 116 x 81 cm 2017

Lucky one Acryl auf Malgrund 150 x 120 cm 2015

Come closer, baby Acryl/Kohle auf Malgrund 118 x 81 cm 2015

Rette sich, wer kann! Acryl auf Malgrund 116 x 81 cm 2015

Rette sich wer kann!

Ist er ihnen schon einmal begegnet, der Unbekannte im Hasenkostüm....? Der, der sich – süßlich lächelnd oder grotesk grinsend – als lustiger Geselle ausgibt, um im Supermarkt, auf Kinderfesten oder wo auch immer Kinder zu bespaßen? „Das ist doch nur der Osterhase, alles gut! Da gibt’s doch keinen Grund zu weinen!
Lach doch lieber, ...los, nun lach schon!“ 

Durch Zufall stieß die Malerin Stephanie Nückel bei einer Internetrecherche auf Fotos dieser speziellen, amerikanischen Art der Kinderbespassung und nahm sofort den Irrwitz der Situationen wahr:
„Thema meines Bilderzyklusses ist das grundlegende Missverständnis. Einer hat eine Idee, was für den anderen gut sein könnte und hilft es ihm über“, erklärt sie. „Dabei geht er über den anderen hinweg.
Und das wahrscheinlich unbeabsichtigt im besten Glauben, dem Anderen eine Freude zu machen.“

Dabei geht der Irrwitz über das Hasenspiel weit hinaus. Der Unbekannte im Hasenkostüm mit dem verstörten Kind erscheint eher wie ein Hohlspiegel, in dem sich etwas Grundsätzliches und Unsichtbares konkretisiert: „Lieb gemeinte Gewalt“, ist für die Malerin das thematische Zentrum ihres Bilderzyklusses.

Sie spricht damit eine verbrämte, subtile Form von Gewalt an, die stets verkleidet daherkommt, mit freundlicher Fassade.
Durch diese ist es meist unmöglich, sie rechtzeitig zu erkennen, geschweige denn, ihr zu entkommen. Stephanie Nückel offenbart in diesem Zyklus ein gesellschaftlich hoch brisantes Thema. Sie öffnet die Büchse der Pandorra und reißt die tarnende Fassade mit ihren Farben und Pinseln von einem allgegenwärtigen Irrwitz, indem sie gerade seine Verhüllung malt, - ihn also doppelt verhüllt.

Gerade dadurch aber zeigt sie das eigentlich Groteske der Szenerie: die ins Liebliche und Spielerische verkehrte Perversion, das Machtspiel, den weitgreifenden Missbrauch. Er liegt in der Korrumption der Freiheit des Anderen: Der Andere wird Teil der eigenen Machenschaften, des eigenen Systems. Das unverwechselbar Andere des Anderen, seine Einmaligkeit und seine eigene Bedürftigkeit werden nicht wahrgenommen. 
In Stephanie Nückels Bilden wird der stumme Blick der Kinder zum sprechenden Gegenpart, zum ohn-mächtigen Widerstand. Einzig der Blick stört das Spiel und lässt es ins Leere laufen. Wer ist der Unbekannte im Hasenkostüm und wer ist das Kind? Bin ich es oder bist du`s? Wo geht das unerkannte Schreckensgespenst des Hasen um? Im gesellschaftlich öffentlichen Raum oder auch im allerprivatesten Bereich, den Beziehungen?

„Überall“, sagt die Malerin, „stößt man auf seine Spur. Permanent glaubt jemand zu wissen, was für einen anderen gut ist, überwältigt und überrollt ihn damit.“ Bezeichnend ist, dass es unmöglich ist zu wissen, wer sich überhaupt unter dem Hasenkostüm verbirgt. Es geht hier gerade nicht um eine Beziehung von Angesicht zu Angesicht, deren Grundlage gegenseitige Achtung wäre. Der eine verbirgt sein Gesicht und lässt sein Gegenüber im Dunkeln tappen, was das Machtgefälle noch unterstreicht. Manche Hasenmasken, so scheint es, bringen das trickreich Harmlose zum Kippen, und offenbaren eher etwas über die Motive der verborgenen Person. Variantenreich entfächert sich im Bilderzyklus der Malerin das gewaltvolle Spiel: Mal scheint es eher ungewollt und unbewusst abzulaufen, mal tritt die Lust an der Gewalt durchaus bewusst – immer aber getarnt – auf. Durch die Art der Gestaltung der Hintergründe interpretiert Stephanie Nückel die jeweiligen Szenarien und kommentiert sie somit: „Ich habe mich gefragt, was die Farben des Wahnsinns sind“, erzählt die Malerin „Auf manchen Bildern ist der Hintergrund poppig süß und klebrig. Er erinnert an amerikanische Süßigkeiten, Zuckerwatte und Ostereier.“
Auf anderen Gemälden bricht diese verharmlosende Atmosphäre auf, und etwas bräunlich Schlammiges tritt ins Bild, als sei es nicht mehr zurückzuhalten. Auf einem anderen Gemälde löst sich auf, was unsere Realität konstituiert: Zeit und Raum. Der Boden gerät ins Wanken und dunkle Gestalten treten hervor. Ganz weg gefallen ist die poppige Fassade auf einem Gemälde, auf dem nur noch ein Hase zu sehen ist – ohne Kind.

Die Malerin zeigt ihn in seiner eigenen Unheimlichkeit und Verlorenheit und durchbricht damit das Klischee von Gut und Böse, Opfer und Täter: Der Hase wird auf diesem Bild zu seinem eigenen Opfer. Als Kulminationspunkt des Zyklusses steht er herausfordernd vor dem Betrachter und tritt mit ihm in einen stummen Dialog.

 M.A. Jutta Czapski, Kunsthistorikerin, Kulturwissenschaftlerin Berlin, Januar 2015